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Ludwigsburger Kreiszeitung

Montag, 30.12.2001 ... so beuge ich mich zu dir und erquicke mich an neuen Träumen ...

- Du bist die Quelle zu mir selbst -
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Schönheit der Welt trifft rührende Ehrlichkeit
Vernissage im Rathaus:   Wie sich die Aquarelle von Julia Zierhut
und die Lyrik von Oliver Braun ergänzen

Die eine malt, der andere schreibt - die eine so gegenständlich wie der andere. Zusammengenommen ergaben die Aquarelle von Julia Zierhut und die Lyrik von Oliver Braun am Freitagabend eine bemerkenswerte Vernissage im Remsecker Rathaus.

"Ich mag keine kaputten Bilder malen", entschuldigt sich die zierliche Julia Zierhut schon fast ein wenig für ihren hang zum Gegenständlichen, für ihr Verliebtsein in die Natur, für die Sucht nach Sonne in ihren (wie) gemalten Landschaften, Blumen und Stillleben.
Ihre Aquarelle - leuchtende Türeingänge, rosa getünchte Mauern und farbstarke Hinterhofeingänge, die sie allesamt von Reisen aus Griechenland und Italien importiert hat - seien im gegensatz zur abstrakten Malerei wahrscheinlich keine "richtige Kunst", meinte sie zögerlich.
"Aber ich möchte eben die Schönheit, die Freundlichkeit der Welt zeigen - Probleme gibt es doch genug." Ein wenig trotzig wird sie dann doch. Und das mit Recht. 

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Denn die Schönheit schöner, die Natur nicht natürlicher, dafür aber göttlicher zu machen - genau das gelingt der 25-jährigen Erdmannhäuserin, die kurz vor dem Staatsexamen in Kunsterziehung steht, in Perfektion.
Auch der Lyriker Oliver Braun aus Aldingen übt sich in ungerechtfertigter Bescheidenheit: "Ich kenne mich nicht so gut aus in der Literatur, ich schreibe aus einem inneren Trieb heraus", meint der 26-jährige Industriekaufmann, der gedichte schreibt, seit er 13 ist und im vergangenen Jahr seinen ersten Lyrik-Band "Regenbogennächte" veröffentlicht hat. Am Freitagabend las er mit schüchterner, dennoch klarer und fester Stimme rund 20 seiner Gedichte. Gedichte, die mehr Prosa als Lyrik sind: In freien Rhythmen und Versen, ohne Metapher und monströsen Wortbauten, ohne verzwickte Chiffren. Ganz ohne Netz und doppelten Boden bewegt er sich - recht stürmisch und drängend - in einer Privatheit, die erschreckt. In einer Ehrlichkeit, die nicht bloß anrührt, sondern zielgenau ins Herz trifft (wo Dichtung hingehört), in einer Unmittelbarkeit, die im Auge schmerzt (was Dichtung darf, wenn sie kann).

Oliver Braun erzählt von (seiner) Wirklichkeit. Und die ist bei Dichtern eben immer ein wenig schöner als die "echte" Wirklichkeit: Dramatischer und melancholischer, inniger und verzweifelter. Und doch wieder nichts als die reine Wirklichkeit, denn: "Wir reden hier über das Leben", sagt er in einem seiner Gedichte, aber auch: "Mein Leben ist einziges Märchenbuch".
Wenn Märchen vom Tod handeln, vom Leben, von der Liebe, vom Schmerz und dem Ich, wenn Märchen aber auch durch Übertreibung erst Wahrheit schaffen und die Menschen erst durch Verzauberung in die Wirklchkeit zurückfinden lassen, dann sind auch Oliver Brauns Gedichte Märchen - in Wahrheit und Wirklichkeit.

INFO:   Die Ausstellung von Julia Zierhut ist noch bis zum 21. Dezember im Remsecker Rathaus zu sehen. Oliver Brauns Gedichtband "Regenbogennächte" ist im Buchhandel erhältlich.

Antje Kramer.  
   

LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG - 183. Jahrgang / Seite 7

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